Tom's Tour Tales (Teil 10)
Echt scharfe Klingenstadt und Party in Berlin
38°C. Ich liege auf der Luftmatratze und dümpele im Pool vor mich hin. Urlaub, letzte Woche – Entspannung und Erholung. Das haben wir uns verdient. Wenn man den Lärm der ca. 150 anderen Menschen im Pool ignoriert, herrscht auch so etwas wie Ruhe. Herrlich!!
„Tom, fehlt dir nicht etwas?“ flüstert eine Stimme im Kopf. „Pfhh – was sollte das sein?“ denke ich, denn ich fühle mich prima. „Gäbe es denn gar nichts was du ein klitzekleines bischen vermisst?“ nervt die Stimme weiter.
„Nö, meine Familie, Urlaub, nen leckeres Weinchen hin und wieder und alles ist gut und nun schwirr ab“ denke ich.
Ganz leise haucht die Stimme mir lasziv ins Ohr: „Rock’n Roll? Hmmmm?“ „Mist!“ denke ich, irgendwie fehlen mir auch ein klitzekleines bisschen die Jungs und einmal wieder einen Bass in die Hand nehmen und eine kleine Abwechselung zur allabendlichen Kinderdisko…… Ja, das wäre doch schön…. Hm, mal zählen, wie lange dauert es noch? Und so zähle ich insgeheim die Tage rückwärts bis zum ersten Auftritt nach unserer Sommerpause….
Echt scharfe Klingenstadt
Der Hänger ist randvoll gepackt und wir rollen nach Solingen. „Echt scharf“ Open Air Konzert. Wir dürfen den Freitagabend rocken, und alle freuen sich drauf. Eine riesige Bühne erwartet uns. Vorfreude kommt auf. Die Vorband hat einen guten Sound, wenngleich noch wenige Zuschauer. Wir laden unseren Pröttel aus und werden dabei herzlich von den Veranstaltern begrüßt „Ich hab Euch nur gebucht, weil ich die Jungs mal im Backstage-Bereich besuchen wollte“ war ein O-Ton…..
Eine nette Stimmung und auf und auch hinter der Bühne hilft man uns fleißig. Nachdem die Band vor uns fertig ist beeilen wir uns mit dem Aufbau. 19.30 Uhr ist Start und es scheint knapp zu werden. Der Graf-Wilhelm-Platz füllt sich zusehends.
Wir werden angesagt und los geht’s! Wow, der Platz ist voll und es rockt gut los. „One Wild Night“ im Hellen, naja…. !
Langsam kommt Stimmung auf. Mir fällt eine Zuschauerin mit einem Bon Jovi T-Shirt mit Strassteinen in der ersten Reihe auf. Olli stimmt „Blood On Blood“ an, aber die Menge grölt natürlich wieder mal „Summer of 69“. Die Dame ist entrüstet und schüttelt vorwurfsvoll den Kopf hinter sich. Ich frage mich, ob sie jeden Moment mit einem Regenschirm auf die Menge eindrischt. Schließlich geht’s aber mit korrektem Text los und schon guckt sie wieder friedlich Richtung Olli und Ihre Gesichtszüge nehmen entspannte Züge an und ein gewisses Glänzen tritt aus Ihren Augen. „Wie friedlich sie wieder ist“ denke ich und setze ein.
Irgendwann zucke ich zusammen denn ich entdecke meine Mom fröhlich winkend in der Menge. Das ist selten. Schön zu sehen, dass sie das Konzert auch toll findet. Bei Müttern ist das scheinbar immer was besonders denke ich und erinnere mich, das Jojo auch mit seinem Konzert zur Prüfung nicht anfangen wollte, bis seine Mom endlich eintraf….
Regen und Dunkelheit setzen nacheinander ein und nach dem der Regen wieder aufgehört hatte ist die Stimmung auf dem Höhepunkt. Keiner merkt, das „Bed of Roses“ mal nicht im Set ist. Stattdessen freuen sich alle scheinbar umso mehr „I’ll be there for you“ zu hören. Wahnsinnsstimmung in Solingen toll, genial!. Irgendwie scheint der Zeitklau wieder unterwegs gewesen zu sein, denn nach gefühlten 30 Minuten ist ein 2.5 stündiges Konzert zu Ende.
Der Veranstalter wedelt hektisch und schiebt uns trotz Sperrstunde um 22.oo Uhr erneut auf die Bühne. Na gut, spielen wir noch was ruhiges, also doch „Bed of Roses“. Es geht runter von der Bühne und ich versuche das gesamte Team daran zu erinnern, sich zu beeilen mit Abbau und Einladen, da wir noch in Richtung Berlin aufbrechen wollen. Aber das Publikum lässt uns nicht los. Wir dürfen Autogrammkarten unterschreiben und verteilen, hier und dort Hände schütteln und man kommt kaum dazu sich die verschwitzten Klamotten auszuziehen.
Als ich es doch gerade tue kommt Christiane angestürmt und ruft fröhlich: „Hah, gleich bekomme ich bestimmt Stress mit meinem Mann wenn ich euch jetzt alle halbnackt drücke!“ (Ich hoffe, es fegte anschließend kein eisiger Wind durch den Haushalt ;-))
Ich komme mit einem sehr müden Mädchen von 4 Jahren ins Gespräch, die ja tagsdrauf (im Gegensatz zu uns) ausschlafen kann. Plötzlich steht eine Zuschauerin vor mir und erzählt, dass sie vor 4 Jahren uns zum ersten Mal in Velbert gesehen habe und an diesem Tage zuvor eine schlimme Diagnose vom Arzt bekommen habe.
An diesem Abend habe sie von uns so viel Lebensmut erhalten, sagt sie. Jetzt sei sie froh, noch hier stehen zu können und uns wiederzusehen und einen neuen Lebenspartner zu haben. Glück, Zuversicht und Vertrauen strömen in überwältigender Weise aus Ihr heraus, so dass es mich völlig überrumpelt. Ich muss sie einfach fest drücken (schon allein damit sie nicht sieht, dass ich bei Ihren Ausführungen ziemlich feuchte Augen bekommen hatte). Wahnsinn denke ich, welche Emotionen im Laufe eines Abends so transportiert werden. Unbeschreiblich. Unbezahlbar. Langsam geht es ans Abbauen und Einladen. Um halb eins steht der Hänger gepackt hinter Bühne und Hunger macht sich breit. So fällt die Combo noch über die nahe Döner-Bude wie die Heuschrecken her und nagt diesem quasi den Döner vom Spieß. Passend zum Fest Motto „Echt scharf“ lasse ich mir den Döner schön scharf würzen. Solingen ist schon scharf, denke ich, als wir um 01.00 den Bus anlassen uns Richtung Berlin rollen. Wir freuen uns schon riesig auf die „Lichternacht“.
Berlin, Berlin – Du bist so wunderschön…
Die Mittelstreifen kommen wie stetige Raketen von vorn links und hören nicht auf, an mir links vorbeizuschießen. Mittlerweile ist es im Bus ziemlich ruhig geworden und jeder hängt so seinen Gedanken nach oder döst vor sich hin. Der Bus fährt auf Tempomat und auf Punkt 105 km/h steht die Nadel und das monotone Gebrabbel des Motors lässt mich nun langsam gegen 3°° morgens schläfrig werden. Lüftung kälter und Musik etwas lauter.
Wir müssen es noch bis Peine schaffen, denn dort haben wir ein Hotel gebucht. Eigentlich wahnsinng, denke ich, denn wir werden so gegen 4°° da sein und um 8.30 Uhr müssen wir schon wieder weiter. Aber irgendwer scheint um diese Zeit die Autobahn immer länger zu ziehen. Voll gemein, so etwas.
Meine Augen wollen nicht mehr Mittelstreifen sehen und unendlich erleichtert kann ich nach einer gefühlten Unendlichkeit den Blinker setzen und wir rollen am Hotel vor. Wir suchen noch einen Parkplatz der lang genug ist, dass das Gespann reinpasst und schließlich und endlich schlurft eine sichtlich müde Truppe ins Foyer des Hotels. Dort erwartet uns der als Portier verkleidete Bruder von „Jabba the Hutt“, aber Hauptsache wir bekommen einen Schlüssel.
Ich liege – endlich. Ist das schön. Jojo hat noch einen Funken mehr Energie, denn er wandert noch zum Zähneputzen.
Der Handywecker klingelt. Schlaftrunken angele ich das Handy und drücke die Schlummerfunktion. „Kann nicht sein denke ich“ und wundere mich, Jojo nicht mehr aus dem Bad zurückkommen gehört zu haben. Ich stelle mir vor, wie der seit Stunden seine Zähne putzt und nun mit blutrotem Zahnfleisch und wunden Lippen gleich aus dem Bad spaziert kommen wird. „Dröng, dröng – dröng, dröööööööööng“.
Entnervt gebe ich mich dem Wecker geschlagen und drehe mich um. Zugegebenermaßen überrascht stelle ich fest, das Jojo noch ziemlich friedlich in seinem Bett liegt von einem von exzessivem Zähneputzen Blut speiendem Mund ist zum Glück nichts zu sehen. Jojo hüpft aus dem Bett und geht Duschen. Viel zu schnell kommt er wieder und berichtet von dem Plastik-Ambiente der Nasszelle. Es hilft nichts, ich muss aufstehen. Tatsächlich versprüht das Bad den Charme einer Gummizelle, dessen Künstlichkeit nur von lebendigem Schimmel kaschiert wird. Na, dann guten Morgen! Schließlich kommen wir in der Lobby an, wo uns große Augen unser Bandkollegen und vor allem ein hektisch auf sein Laptop einhämmernder Jeans erwarten.
„Tom hast Du genug Geld oder ne Karte mit?“ fragt Jeans aufgeregt. „Klar, wieso?“ frage ich und denke an meine soeben (wegen Kreditkartenbetrugs) gesperrte Eurokarte. „Weil keiner Geld dabeihat“, meint er und ich sehe, dass er versucht für Online-Banking mit dem Laptop ein WLAN zu bekommen. Da ich EC-Karten als Zahlungsmittel praktischer als Laptops finde sage ich „klar“ und zur Dame an der Rezeption, die den „Jabba the Hut“t abgelöst zu haben scheint: „Ich bezahl dann mal alle Zimmer“. „So ein Glück“, meint Jeans, „die hätte sonst die Polizei gerufen“….
Frühstück bei Mc Doof und das nach nicht ganz vier Stunden Schlaf – kann es schlimmer gehen? Ja es kann, wenn die Hälfte aller mündigen Bandmitglieder keine Kohle dabei hat und dann der Kaffe nur braunes Wasser ist. Egal, nach ca. 20 Minuten haben wir alle den Cholesterinspiegel mit Rührei oder Bacon wieder auf Normallevel gehievt und weiter geht’s.
„Ich seh’ den Eifelturm!“, Quatsch, das ist der Fernsehturm“, „Oh je, das ist der Avusturm“ schallt die geballte Ortsunkenntnis durcheinander. Insgeheim frage ich mich, ob gleich noch einer fragt, ob wir schon über die Grenze sind. Bevor wir tiefer in die Stadt abtauchen, tanken wir noch mal auf. Neben uns hält ein Roller und die Fahrerin scheint mit ihren Reizen nicht geizen zu wollen und es werden Handys gezückt und fotografiert. Berlin scheint doch nicht so über zu sein denke ich und weiter geht’s los in den Bauch der Stadt.
„Man ist die Stadt hässlich“ sagt der eine, „Quatsch, überall alt-ehrwürdige Gebäude“ tönt es aus der anderen Ecke im Bus. Gut, dass wir ne Band und kein Architekur-Büro sind, denke ich, denn das würde schier in einer Katastrophe enden.
Tony ruft an und will uns erklären, wo wir hinkommen sollen. Wir verstehen nur wirres Zeug und vertrauen dem Navi, welches uns aber auch zielsicher an den Ort führt, wo wir auf dem Grünstreifen einen hektisch winkenden Tony vorfinden. Hauptstadt – wir sind da!
Bühnen und Thekenwagen drängen sich dicht an dicht entlang der Karl-Marx-Alle und schließlich können wir unser ganzes Geraffel unter dem gestrengen Blick der Rennleitung ausladen. Der Bus steht kurze Zeit später um die Ecke genau vorm Klowagen. „Hoffentlich verwechselt das mal keiner heute Abend“ denke ich und schon machen wir uns an den Aufbau.
85dB Beschränkung gilt für die Bühnen. Hm, das ist soviel, wie mein Motorrad lt. Fahrzeugschin im Standgas von sich gibt. Toll, da kommt bestimmt kein Rock n’ Roll auf. Um etwas Sinnvolles zu tun handele ich mit dem Getränkewagen neben der Bühne einen Sonderpreis für die aktiven Musiker und unsere Freunde aus. 1 € für ein großes, statt 2.50 € für ein kleines Bier. Ist doch was.
Von einem geschäftstüchtigen Toni mit „Ficken“-Mütze und- T-Shirt ausgestattet, lausche ich den Klängen des dynamischen Duos bei dem ein oder andern Bierchen. (der Likör, ihr wisst schon…!) Auf der Bühne artet es mal wieder in Comedy aus und irgendwann steht Jojo mit Badelatschen als Bademeister mit auf der Bühne.
Plötzlich stehen wir alle auf der Bühne und spielen „Highway to Hell“. Wie sehr Hell = Hölle ist, zeigt sich während des Stückes, denn plötzlich hüpft ein leicht übergewichtiges Mädel, welches beschlossen hatte, ihre Pfunde mit beiger Leggins und ebenfarbigem Tank-Top mit zu wenig Stoffanteil in Zaum zu halten, vor die Bühne und rockt ab. Kippe lässig in der Lücke, die der Schneidezahn beim Abschied irgendwann hinterlassen hatte. Heiajajaja denke ich wie soll das wohl noch heute Abend werden. Charly, ebenfalls mit „Ficken“-Cappy bewaffnet hat jedenfalls noch keine Angst, dem tanzen Traum in beige zum Opfer zu fallen.
Der Platz vor der Bühne füllt sich und nach drei Stunden sind Olli und Jeans zumindest mit dem DDD für den Tag erlöst. Das Bier schmeckt und wir freuen uns wieder Besuche aus Halle, Thüringen, Kassel, Solingen, Wülfrath, Essen … (!) Toll.
Tja und irgendwann geht der Gig dann los. Leise, extrem leise legen wir los, nach dem wir beim Aufbau und Soundcheck in der Mittagsruhe zuvor eine Ermahnung erhalten hatten.
Trotzdem rockt das Völkchen Hauptstätter und die versammelte Fangemeinde gut ab. Im Nachhinein kann ich mich gar nicht mehr an besondere Einzelheiten des Gigs erinnern, außer an solche Highlights, wie die Dame die deutlich über 50, braungebrannt und offensichtlich mit Hang zur Bulämie (ob die Dame in beige ihr alles immer wegfutterte? Wer weiß, vielleicht kannten die sich?) und Marlboro Light versucht, erst Olli willenlos zu starren und als dies zu keiner Reaktion bei ihm führt, dann es in gleicher Form bei Jeans zu versuchen.
Schließlich ist sie weg und dafür steht ein Mädel in knappen Oberteil vor der Bühne, die aggressiv ihre Assets in Szene setzt. Zugegebenermaßen leitet die Konzentration darunter doch ein wenig, wenngleich es eine erfreuliche Abwechselung zu den anderen Darstellern bedeutet.
Der Gig ist zu Ende und wir dürfen wieder die ein oder andere Autogrammkarte verteilen. Olli und Jojo versacken mit ein paar Iren am Nebentisch. Wir feiern noch ein wenig mit unseren Freunden aus Solingen, Kassel, Halle und Thüringen. Irgendwann steht Charly vor mir, stubst mich an und fragt: „Tom, meine Bekannten sind schon seit 8 Uhr weg und die letzte U-Bahn ist weg. Könntest Du mich eventuell dahin fahren? Das sind nur ca. 35km“ Ich bin sprachlos. „Nee, Charly – Du von uns kann keiner mehr fahren, da wirst Du entweder mit zu uns ins Hotel kommen oder dir ein Taxi nehmen“ denke ich und erahne mit Blick auf seine „Ficken“-Mütze den Grund für das vorzeitige Verschwinden seiner älteren Bekannten….
Irgendwann packen wir unsere Plörren wieder in den Hänger, und rufen uns zwei Taxen zum Hotel und verabschieden Toni, Steffi und Doreen, die in einem anderen Hotel untergekommen sind. Dort angekommen stürmen wir noch für einen „Absacker“ (Wo kommt eigentlich dieses Wort her?) in die Hotelbar, die es aber vorzieht um kurz nach eins schon geschlossen zu sein. Wir organisieren an der Rezeption noch ein kleines Bierchen für alle und lassen den Tag gemütlich ausklingen.
Am nächsten Morgen treffen wir Tomi, Steffi und Doreen auf’m Q-Damm und genießen ein tolles, frisches Frühstück. Super! Steffi weiß zu erzählen, dass Sie dort schon einmal Jürgen Vogel (Schauspieler, Anmerkung des Autors) begegnet ist.
Bei schönstem Wetter schlendern wir zurück zum Bus. Olli und Jeans nehmen Toni in die Mitte und plötzlich tönt es:“ Eins, zwei, drei, Engelchen flieeeg“ und Toni zappelt zwischen Olli und Jeans. Ich breche vor Lachen zusammen… Abschied: Unsere Solinger Freunde fliegen zurück und treffen am Flughafen auf Charly, der wohl gut bei seinen Bekannten angekommen ist. Wir machen und auf den Heimweg. Es wir einer der grausamsten und längsten Rückwege, die wir je hinter uns gebracht haben, die A2 war voller Staus und die Umleitungen waren meist auch überlastet…
Aber Berlin hat definitiv Spaß gemacht, gerne wieder, aber zunächst freuen wir uns wieder auf Solingen, die Stadt die uns zwei Tage zuvor den tollsten Empfang bereitet hatte.