Tom’s Tour Tales (Teil4)
Musiktheater Rex - Lorsch
Eine stressige Woche
Kennt ihr das auch? Arbeit bis zum Abwinken und alles geht schief, so eine richtige Kackofonie des Alltags, so eine richtige „Scheißwoche", in der sich alles nur noch um die ersehnte Ankunft im Wochenende dreht? Tja, ungefähr so ging es mir letzte Woche und das (fast) einzige Ziel, was diese Woche lebenswert erscheinen ließ, war der anstehende Gig mit Bounce im „REX".
Bei bestem Wetter und allerbester Laune fahre ich also los zum HQ und singe lauthals und vor lauter Erleichterung über das Überstehen der Woche zu Europe's „The Devil sings the Blues" mit. Dermaßen mit Endorphinen im Blut gelingt es mir zum meiner Verärgerung nicht, den Hänger in einem Satz rückwärts in die Einfahrt vorm HQ zu bugsieren und ich frage mich erneut, was der der Nachbar gegenüber wohl für den blöden m² mit Hecke haben will, wenn wir den endlich einstampfen könnten, dann wäre das Rangieren nämlich um Einiges leichter. Dem dekorativen Erscheinungsbild der Ecke würde das nämlich keinen Abbruch tun. Egal, denn ich habe ja gute Laune und um die lasse ich mich von der Ecke nicht berauben.
Olli taucht mit einem Karton unter dem Arm auf und grinst dabei fast im Kreis. Ich frage mich noch, ob die obere Hälfe herunter fällt, wenn er die 360° schafft, als ich sehe, was er da anschleppt und ihn so unverschämt breit grinsen lässt: Ein Doppelpack bestehend aus einem ferngesteuerten Hubschrauber und Flugzeug. „30,- € bei Amazon das Value-Pack, haben wir alle inner Firma", sagt er. Ach so, ist klar. (Ich denke an meine Woche zurück und komme kurz ins Grübeln, meine Arbeitskraft nicht demnächst auch Ollis Chef zur Verfügung zu stellen).
Vorfreude liegt in der Luft und alle sind gut drauf und der Hänger ist eigentlich ruckzuck mit Equipment geflutet… bis jemand unschuldig eine Frage in der Raum wirft:
„Ähm – wer hat denn das K.I.E.S.-Multicore-Kabel gesehen?"
(Das Kabel ist so eine Art Nabelschnur zwischen aus auf der Bühne mit unserem Monitor-System und der Anlage im Saal, also s e h r wichtig, quasi elementar.)
Alle starren in die dafür vorgesehene graue Kiste, die merkwürdig leer aussieht. Das Kabel ist weg und nun geht hektisches Herumtelefonieren los. Die Stimmung ist erstmal dahin. Schließlich spüren wir die Veranstaltungstechniker von dem letzten Gig in Bonfeld auf, die unser merkwürdiges Kabel in Ihrem Bestand dann auch wiederfanden.
Und so wird Charly von der Besatzungsliste des Busses gestrichen und wird auf eine Sondermission angesetzt: Charly holt also im eigenen Wagen das Kabel in der Nähe von Stuttgart ab, während wir uns zum Aufbau nach Lorsch machen.
Es geht also los. Kaum hinter Wiesbaden kräht die halbe Besatzung schon wieder „Muss mal Pipi".
Spontanes Gelächter im Bus, als ich im Stau bei Darmstadt einer offenbar übermaßen gestressten Mutter im Astra-Caravan neben uns bedeute das Fenster herunterzumachen und ihr mitteile: " Hallo! Wir stehen übrigens schon alle seit 1 Kilometer. Sie können die Warnblink-Anlage jetzt wieder ausstellen", auch im Astra wird gelacht.
Wieder krächzt die Besatzung „Hunger" und so polstern wir schließlich in Bensheim unsere Plauzen mit Burgern aus. Vielleicht sollten wir einmal über einen Endorsement-Deal mit Burger King nachdenken.
„Rex" Musiktheater
Voller Ehrfurcht vor den exzellenten Musikern, die an diesem Ort schon auftraten, betreten wir das Rex. Ein ganz eigener Charme, irgendwo zwischen Programm-Kino und Kneipe, gewürzt mit einer Melange „Gelsenkirchener Barocks" erwartet uns.
Die Bilder vieler Künstler sind teilweise alle mit Widmungen versehen und sind die dekorativen Highlights im Saal, kein Hausfrauen-Chic. Hier wirken diese authentisch und echt, nicht künstlich, steril und leblos, wie in den Hard Rock Cafés in aller Welt, wo man auch signierte Klampfen und Platten bewundern kann. Unter anderen sehen wir die Chefin neben Page und Plant stehen. Wow!
Ausladen, Parkplatz suchen (plötzlich taucht Tony aus dem Nichts auf und ist mir bei der Suche behilflich) und Soundcheck ohne unser Monitorsystem ins Nichts. Warten auf Charly. Er sei am Ende seiner Mission, sprich auf dem Weg zu uns, habe noch 70km vor sich und sei um 18.30h da.
Wir beschließen zu Essen. Man serviert Hähnchenschenkel knusprig gebraten und Rosmarinkartoffeln mit Gemüse. Es schmeckt vorzüglich. Mittendrin hat Charly dann auch zum Rex gefunden, nachdem er erst einem unglücklichen Link auf der Internet-Seite nach Bensheim gefolgt war und so stecken wir unser Equipment kurzerhand neu zusammen und machen einen zweiten Soundcheck, aber nur ganz kurz, denn draußen stehen bereits die ersten Gäste.
Toni hat nebst einer Bekannten (oder Freundin?) wieder Aufkleber, DVD's, Artist-Ausweise und Karten am Start, obwohl er den Gig gar nicht organisiert hat. Cool.
Der supernette Soundtechniker des REX zeigt sich interessiert und beeindruckt von den technischen Lösungen, die unser Stevie für uns gefertigt hat. (Genau beeindruckt sind wir, als er loszieht und uns allen Handtüchern und Wasser auf die Bühne stellt. Toll!) Ich erkläre dem Techniker augenzwinkernd, dass der Tüftler des Sound-Equipments, Stevie, sich einen sehr guten Namen im Bereich akustischer Komponenten erworben hat, aber auf dem Gebiet der Pyro-Technik noch starken Aufholbedarf hat. Stevie jagt mich wie ein Derwisch durch den Saal, denn dieser Stachel „Pyros" sitzt tief in seinem Fleisch und es nagt an ihm. Er ist halt Perfektionist.
Punkt 20.30 ist „Go"und um 23.00 hat bereits der letzte Vorhang zu fallen, wie uns ein Zettel im Backstage-Bereich verkündet. So lassen wir Ollis Hubschrauber fliegen, freuen uns wie die Kinder und besprechen nebenbei noch die Streichliste auf der Setliste, da wir eine zu lange Setliste für den Abend haben. (Da Olli an dem Abend aber relativ wenig moderiert, nix Außergewöhnliches passiert, die Gitarrenwechsel dank des neuen K.O.G.S ®.-Systems nur so fluppen und wir die Stücke wie an einer Perlenkette hintereinander weg spielen, kommt später die Hälfte der gestrichenen Lieder aber dann wieder in etwas unorthodoxer Reihenfolge wieder hinzu, so ist das eben…)
Kurz vor dem „Go" kommen unsere Solinger Freunde in Begleitung eines riesigen, blauen Tupper-Torten-Case (ohne Rollen) nebst innenliegendem Kuchen, einer Tüte blauer Kunststoffgabeln und farblich abgestimmten Papptellern in den Backstageraum. Großes „Hallo" und was zum drauffreuen für nach dem Auftritt.
Wir gehen „on Stage" und es ist wieder ein Wahnsinnsgefühl, vor unbekanntem Publikum auf Anhieb vor vollem Haus spielen zu können! Das liegt wahrscheinlich weniger an unserem eigenen Bekanntheitsgrad als an dem gleichbleibend hohen Qualität des Angebots der Location oder vielleicht ja auch ein bisschen an beidem.. *gg*
Rocking the Rex
Von der Bühne aus ist jeder Auftritt auch immer etwas Besonderes. Vor meinen Augen läuft ein Film ab und man nimmt nur zur Hälfte das Publikum war. Mir fällt immer mehr der Stress der Woche ab und ich merke, wie Olav und ich rhythmisch anfangen zu grooven. Jetzt läuft's rund, die Band funktioniert gut. Hin und wieder läuft Hanne mit ihrer Kamera vorbei, ich sehe nun auch Birgit Fotos schießen und alles läuft gut.
Der erste Gitarrenwechsel auf eine Akustik-Klampfe lässt uns wegen der verschwitzten Pegelanpassung von K.O.G.S. mit unserem In-Ear-Monitor System fast die Ohren bluten und so ziehe ich die Akustik-Klampfe am Monitor-System hastik mal radikal in Richtung Süden und sehe die dankbaren und erleichterten Blicke von Jojo und Olav.
Das ganze wiederholt sich noch mal, als auch Olli zur Akustikklampfe greift, ansonsten läuft alles problemlos ab, wenn man mal davon absieht, das Jeans den „Gabenkorb" in ein Getucke mit seinem Kabel verwickelt und so nicht an seine Klampfe kommt. So spielen wir den Anfang zu „Wanted" eben einmal im Kreis und weiter geht's schulterzuckend.
„Oh Mann ist das heiß hier" habe ich Axel Schröder im Ohr und irgendwie ist mein Wasservorrat verdunstet. Jetzt ein Bier…. Leider bleibt der Wunsch lange unerhört und irgendwann hat ein Zuschauer Mitleid und stellt mir ein Gezapftes vor die Füße. Danke an dieser Stelle dafür. Gott sei dank. Tony kommt kurze Zeit später und bringt auch noch 4 Bier vorbei, die auch sehr schnell Abnehmer finden.
Mein Handtuch hat langsam seine Feuchtigkeitssättigung erreicht und beginnt aus Trotz nun selbst zu tropfen. Leistungsverweigerer!
Vor mir steht die Dame mit dem auffälligen silbernen Sportwagen, den sie zielsicher genau gegenüber vom Eingang geparkt hatte und tanzt begeistert mit. Da sie wohl einen gebrochenen Fuß hat (wie sie später berichtet), sieht das allerdings ein wenig nach Reitunfall aus und so habe ich auch etwas zum Beobachten und Schmunzeln.
Ab der Hälfte haben wir dann das Publikum auf unserer Seite und können uns bis zu „Faith" durch die Set-Liste tragen lassen und machen eine Punktlandung auf der 23°° Marke nach Zugabe.
After-Show Party (öffentlich)
Wir hasten kurz rauf, ziehen uns um und nutzen immer die Gelegenheit mit Gästen ein wenig ins Gespräch zu kommen. Jojo verteilt Aufkleber, ich Karten, Jeans kassiert einen Anschiss, weil sich einige Leute über den Sound beschwerten. „Über-den-Sound-Meckerer" gibt es ja auf jeder Veranstaltung. Meist stehen die Leute einfach ungünstig im Raum und Stevie ist (verständlicherweise) etwas angenervt, der er gibt bekanntlich immer Alles.
Egal, auch die Besitzerin war mit unserer Performance zufrieden und hat uns bereits wieder ins Rex eingeladen, was wir als Ehre empfinden und sehr gern zusagen werden.
Zu unserer großen Verwunderung können wir auch wieder Christine aus Kassel und Steffi aus Leipzig im Publikum begrüßen. Hey, wir sind echt erstaunt und können's gar nicht glauben, dass Ihr alle uns so dermaßen treu hinterher reist!!
Bis fast um ein Uhr morgens dürfen wir uns noch mit netten Leuten unterhalten, dann müssen wieder einladen, nicht aber ohne uns vorher bei Bier und Kuchen (fast für eine im Allgemeinen unterschätze kulinarische Kombination!) zu stärken.
Der Anhänger ist gepackt und wie dringlich auch das Personal ins Bett will wird mir nachdrücklich klar, als ich noch mal kurz auf Toilette wollte und plötzlich „plöpp!" im Dunkeln stehe. Strom weg – Ende für heute! Ich schaffe es unfallfrei (und trocken untenrum) wieder zurück zum Saal, verabschiede mich artig und wir treten die Reise zum Hotel an.
After-Show Party (nicht-öffentlich)
Was man an einem Booker wie dem Tony hat merkt man, wenn man im Hotel die Zimmer belegt. Tja, der Gig lief diesmal nicht über Tony und so fehlt uns leider ein Zimmer und ich beschließe, im Bus zu schlafen, statt den Aufstand zu proben. Es hat schon etwas merkwürdig-devotes, auf dem Parkplatz eines 4-Sterne Hotels im Bully zu übernachten, naja.
Aber erstmal haben wir mit unseren Solinger Freunden die Hotelbar gestürmt und zur unserer Freude DORT den Hubschrauber im Saal seine Runden mehr oder minder talentiert ziehen lassen. Die restlichen Anwesenden zogen es dann doch komischerweise vor, schlafen zu gehen. Einige Runden (sowohl Hubschrauber-Platz- als auch Pils-Runden) später sehe ich Olli dabei zu, wie er im Heißhunger-Flash sich mehrere Bananen hintereinander weg hineinstopft, die er dem entnervten Kellner abgeschwätzt hat.
Schließlich ist Schlafenszeit, alle beziehen die Zimmer, ich den Bus und mache es mir bei laufender Standheizung so gemütlich wie geht. So muss ich mich wenigstens am nächsten Tag bei niemandem für etwaige Geräusche aus dem Ansaugtrakt entschuldigen, hat auch was.
Heimweg
„Tock tock, tock". Müde mache ich die Augen auf. Ich liege auf dem Rücken im Bus und blinzele. Ich sehe in Jeans breit grinsendes Gesicht (natürlich aus meiner Position auf dem Kopf stehend) und frage mich, ob er nicht auch Chancen beim Ich-grinse-in-vollständigen-360-Grad-Wettbewerb" nicht auch Chancen hätte. Skurril. Er bedeutet mir wohl aufzustehen und zum Frühstück zu erscheinen.
Verstohlen schleiche ich mich an der Rezeption vorbei in den Frühstücksraum und setze mich zu den bereits Anwesenden. Kopfschmerzen. Keine Aspirin weit und breit also genehmige ich mir ein Schlückchen Sekt zum Frühstück. Die Band ist komplett uns so haben wir endlich Gelegenheit, unser Bandgeschenk an Olav und Stevie zu übergeben.
Jojo und Olli haben schon zu so früher Stunde nur Scherze im Sinn und so sitzt Jojo am Klavier in der gefüllten Empfangshalle und spielt, Olli singt dazu. „Lost Highway", „Something to Believe in" und andere Stücke werden quasi umsonst unters Volk gebracht und tatsächlich wollten spontan mehre Leute Kontaktdaten haben. Unglaublich.
Bevor wir endlich losfahren können, wird jedoch der Parkplatz erst einmal zum Flugplatz für Spielzeughubschrauber und -Flugzeug und der unglückselige Nachbar des Hotels wird wohl erst viel später den Flurschaden bemerken, den wir durch beim Hindurchtrampeln seines Gartens auf der Suche nach verlorenem Fluggerät verursacht haben. (Notfalls haben wir da ja auch einen Fachmann in unseren Reihen der aber schon inflagranti bemerkte, dass das Gestrüpp, dessen lateinischen Namen ich leider zu meiner Schande wieder vergessen habe, relativ robust sei.)
So geht es schließlich und endlich auf die Bahn und Olli mutiert zu unserer Freude wieder zu Kommissar Schneider…
Danksagung
Ich denke es ist Zeit, auch mal „Danke" zu sagen:
Charly - für den selbstlosen Einsatz, „mal eben" nach Stuttgart zu düsen. Tony - weil du so bist, wie du bist. Birgit & Arnd - für Kuchen und Treue (insbesondere die auf Malta ;o) ) Christine & Steffi - stellvertretend für alle, die so oft so lange Strecken zu unseren Konzis zurücklegen. Hanne - für die Fotos.
Bis bald,
Euer Tom.